Ringvorlesung Ensemble

24. Februar 2022
Isabelle Haffter, Johanna Hilari, Moritz Kelber, Nadja Rothenburger, Sascha Wegner (Organisator*innen)
Einführung

3. März 2022
Berenika Szymanski-Düll (München)
Von Massenmigrationen, Tourneen und der Frage nach Ensemble – Ein Blick auf das 19. Jahrhundert aus transnationaler Perspektive

10. März 2022
Christoph Lang (Staatsoper Berlin)
Expertengespräch: Das Ensemble im Opernbetrieb

17. März 2022
Timmy de Laet (Antwerpen)
From Solo to Ensemble - Imagining a Collaborative Dance Historiography

24. März 2022
Organisator*innen
Tutorium

31. März 2022
Johanna Zorn (München)
Formationen des Kollektiven: Zur Chorfigur auf der Theaterbühne

07. April 2022
Organisator*innen
Tutorium

14. April 2022
Stephanie Schroedter (Wien)
Zwischen „Menge“ („peuple“) und „Masse“ („foule“) – Bewegungskollektive im Musik- und Tanztheater des 19. Jahrhunderts  als Widerspiegelung großstädtischer Kollektivbewegungen

28. April 2022
Matthias Rebstock  (Hildesheim)
Ensembles - Teams - Kollektive. Zu Formen der Zusammenarbeit im Freien Musiktheater

5. Mai 2022
Azadeh Sharifi (Toronto)
Koloniales Erbe und das deutschsprachige Stadttheater - eine postkoloniale Kritik an der Ensemble-Struktur

12. Mai 2022
Organisator*innen
Tutorium

19. Mai 2022
Expert:innengespräch: Nina Richard (Bern)
Artists at Work

02. Juni 2022
Klausur

ENSEMBLE. Künstlerische Interaktion und Koproduktion in Musik, Tanz und Theater

Ringvorlesung der Institute für Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft der Universität Bern im Frühjahrssemester 2022

Der dem Französischen entlehnte Begriff Ensemble („Gesamtheit, Einheit“) zeichnet sich vor allem in künstlerischen Kontexten durch ein bemerkenswertes Bedeutungsspektrum aus. Als Attribut beschreibt er das Zusammenwirken von mehreren Akteuren, etwa als Regie- und Aufführungsanweisungen in einem Dramentext, einem Libretto oder einer Partitur. Als Substantiv bezeichnet der Ensemblebegriff in seiner formalen Dimension den Auftritt einer Gruppe innerhalb einer Produktion, und im allgemeinen Sprachgebrauch dient er zuvorderst als Bezeichnung für eine fest an einer Kulturinstitution beschäftigte Gruppe von Künstler:innen (Theater-, Tanz-, Orchester- und Opernensembles). Aber auch abseits der Institutionen ist immer wieder vom Ensemble die Rede - etwa im Zusammenhang mit so genannter Alter Musik (Ensemble Organum), der Freien Theaterszene (Looters-Ensemble) oder Private Public Partnerships (DANCE ON ENSEMBLE). Ensembles sind selbstverständlicher Gegenstand theater-, tanz- und musikwissenschaflicher Forschung und Lehre. Jedoch fand, trotz einer gemeinsamen begrifflichen Ausgangsbasis, ein kollaboratives, disziplinübergreifendes Nachdenken über Form, Struktur und Idee des Ensembles bislang kaum statt. 

‚Ensemble‘ kann auch – ganz auf den Wortsinn reduziert – stellvertretend für die Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen verschiedener Fachrichtungen stehen. Gemeinsam wollen wir, der Mittelbau der Institute für Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft der Universität Bern, uns verschiedenen Konzepten von Ensemble im Rahmen einer Ringvorlesung nähern.

Ringvorlesung des ITW und IMW

Die Veranstaltung ist eine Initiative und ein Projekt von Isabelle Haffter, Johanna Hilari, Moritz Kelber, Nadja Rothenburger und Sascha Wegner, also vom Mittelbau beider Institute. Es soll junge Perspektiven auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Fächern ermöglichen und den drei Disziplinen (Theater-, Musik- und Tanzwissenschaft) gleichberechtigt Raum geben. Als Referent:innen haben wir sowohl Nachwuchswissenschaftler:innen als auch etablierte Forscher:innen eingeladen. Diese werden über das Semester verteilt acht Sitzungen im klassischen Vorlesungsformat gestalten, die um Tutorien ergänzt werden. Hier soll den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, die Inhalte der Vorlesung mit den Organisator:innen zu reflektieren und zu diskutieren. Die Vorlesung richtet sich in erster Linie an Bachelor- und Masterstudierende, aber auch an Nachwuchswissenschaftler:innen beider Institute. Die Tutorate sollen sicherstellen, dass auch Studienanfänger:innen der Veranstaltung gewinnbringend folgen können. Abgeschlossen wird die Vorlesung mit einer Klausur in der letzten Semesterwoche, die von den Organisator:innen durchgeführt wird. Die Veranstaltung verstehen wir als Startpunkt für eine längerfristigere Forschungskooperation des wissenschaftlichen Nachwuchses beider Institute, etwa in Form einer Forschungsplattform, oder im Rahmen einer gemeinsamen Tagung zum Thema „Künstlerische Interaktion und Koproduktion in Musik, Tanz und Theater“. Am Ende soll eine Buchpublikation stehen, in der nicht nur die Inhalte der Ringvorlesung, sondern auch die Ergebnisse der Nachfolgeveranstaltungen zusammengefasst und diskutiert werden.

Künstlerische Interaktion und Koproduktion in Musik, Tanz und Theater

Die Ringvorlesung Ensemble möchte verschiedene Formen künstlerischer Interaktion und Koproduktion in Musik, Tanz und Theater fokussieren und diskutieren. Dabei sollen sowohl historische als auch zeitgenössische Perspektiven zur Geltung kommen. Der Blick wird dezidiert über den deutschsprachigen Raum hinaus geweitet, um den Studierenden Einblicke in die Vielfalt künstlerischer Arbeit zu gewähren.

Ensemble als Institution

Ein erster Schwerpunkt der Ringvorlesung Ensemble liegt auf der Herausbildung und den Funktionen künstlerischer Institutionen bzw. auf Institutionalierungsprozessen, wobei auch das nicht-künstlerische Personal des Kulturbetriebs eine Rolle spielen soll. Ganz im Sinne des institutionell geprägten Ensemblebegriffs im allgemeinen Sprachgebrauch sollen soziale Strukturen und Mechanismen künstlerischer Arbeit diskutiert werden. Leitfragen, die das interdisziplinäre Gespräch zu diesem Themenschwerpunkt prägen: 

  1. Wie, wann und warum entstehen (institutionalisierte) Ensemblestrukturen sowie die Einteilung in verschiedene Sparten? Wie verändert sich das Verständnis von Ensemble im Verlauf des 20. und 21. Jahrhunderts?
  2. Welche Probleme bringen Ensemblestrukturen mit sich und wie werden diese im Rahmen aktueller gesellschaftlicher Debatten verhandelt (Rassismus, Sexismus, Altersdiskriminierung, Inklusion)? Wie verändert der politische Diskurs die Ensemblelandschaft im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus?
  3. Wie funktioniert künstlerische (Ko-)Produktion außerhalb der klassischen Strukturen des Kulturbetriebs? Wie gestaltet sich das Arbeiten in und zwischen Ensembles unterschiedlicher Organisationsformen?

Ensemble als Form

Ein zweiter Schwerpunkt der Ringvorlesung liegt auf dem Ensemble im Sinne spezifisch künstlerischer Formen. Es sollen also die Funktion von Gruppenauftritten auf der Bühne und ihre dramaturgischen Wirkungsweisen in den Blick genommen werden. So zeichnet sich das Ensemble als Form nicht nur im Musik-, sondern auch im Tanz- und Sprechtheater durch Vielstimmigkeit aus. Akteur:innen können sich gemeinsam und autonom, parallel und gegensätzlich, komplementär oder beziehungslos auf oder neben der Bühne begegnen. Auf diese Weise nehmen Ensembles eine besondere dramaturgische Stellung ein. Die Leitfragen zum zweiten Teil der Ringvorlesung lauten:

  1. Wo treten Ensembles im (Musik- und Tanz-)Theater verschiedener Epochen auf und welche strukturelle Funktion können sie dort jeweils einnehmen?
  2. Welche dramaturgischen Wirkungsweisen sind Ensembles zu eigen? Worin bestehen Gemeinsamkeiten und Differenzen im Vergleich der einzelnen Künste?
  3. Wie entwickeln sich theoretische Diskurse rund um Ensembles in den jeweiligen Künsten? Inwiefern können Ensembles Gegenstand oder Verhandlungsort von gesellschaftlicher Kritik sein?

Durch die Fokussierung des Ensemblebegriffs soll den Studierenden nicht nur die Vielfalt und Verwobenheit von Musik, Tanz und Theater präsentiert werden. Die Teilnehmer:innen sollen darüber hinaus anhand der zwei Dimensionen von Ensemble, als Institution und Form, für Problemstellungen künstlerischer (Ko-)Produktion in Geschichte und Gegenwart sensibilisiert werden.